Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD

Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD

Inhaltsverzeichnis

Definition und Einführung der Wesentlichkeitsanalyse

Der Begriff Wesentlichkeit im Zusammenhang mit Berichterstattung stammt ursprünglich aus dem Finanzbereich. Organisationen wie das Financial Accounting Standards Board (FASB) oder das International Accounting Standards Board (IASB) bezeichnen Finanzinformationen dann als wesentlich, wenn ihre Auslassung oder verfälschte Darstellung Entscheidungen der Nutzer:innen dieser Informationen beeinflussen könnte. In der CSRD wird auf dem Konzept der Wesentlichkeit aufgesetzt, um die zu berichtenden Informationen abzugrenzen.  

Die Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD ist also ein Prozess zur Identifikation und Bewertung von Nachhaltigkeitsthemen in den Dimensionen Environmental, Social und Governance (ESG). Die für ein Unternehmen als wesentlich bewerteten ESG-Themen bilden hierbei den Inhalt und die Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD somit die Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. 

Doppelte Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die durch die CSRD in der EU als Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert wurden, verpflichten Unternehmen zur regelmäßigen Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse. Dabei kommt das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit zum Tragen. Entsprechend werden zwei verschiedene Perspektiven unterschieden:

  • Impact Materiality | Inside-out-Perspektive: tatsächliche oder potenzielle Auswirkung des Unternehmens auf Mensch und Umwelt in den Abstufungen: 
    • Kurz-, mittel-, langfristig 
    • Direkte oder indirekte Auswirkungen – dabei wird sowohl die eigene Geschäftstätigkeit betrachtet als auch die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette (ESRS 1, Paragraf 43); 
  • Financial Materiality | Outside-in-Perspektive: tatsächliche oder potenzielle Auswirkung der Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen hinsichtlich zukünftiger Cashflows, also mit Einflussnahme auf den Unternehmenswert, in den Abstufungen: 
    • Kurz-, mittel-, langfristig 
    • Direkte oder indirekte Auswirkungen 

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hat das Ziel die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen bzw. IROs – Impacts, Risks, Opportunities – eines Unternehmens zu identifizieren und zu bewerten (ESRS 2). Damit führt die Wesentlichkeitsanalyse zu einer Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen. Außerdem stellt sie einen wichtigen Input für die Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen und Maßnahmen und damit für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens dar. 

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse nach EFRAG* in 4 Schritten

*Implementation Guidance, Draft EFRAG IG 1, Materiality Assessment 

Die ESRS geben keinen Prozess vor, wie die Wesentlichkeitsanalyse umzusetzen ist. Damit wird den Unternehmen überlassen, einen Ansatz zu wählen, der zu ihrem Geschäftsmodell und ihren Ansprüchen passt. Dem logischen Aufbau der Standards und der Implementation Guidance von EFRAG folgend, können die folgenden vier Schritte eine erste Orientierung geben: 

Prozess der Wesentlichkeitsanalyse in 4 Schritten

Schritt A: Den Kontext verstehen

Analyse der Wertschöpfungskette

Sie starten in die Wesentlichkeitsanalyse über eine Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell und der Geschäftstätigkeit Ihres Unternehmens. Dabei skizzieren Sie die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette Ihrer Produkte und Dienstleistungen und stellen die Frage, welche Auswirkungen Ihre Geschäftstätigkeit auf Mensch und Umwelt hat oder haben könnte. Weitere wichtige Quellen, um in Schritt B IROs identifizieren zu können, lassen sich über die Analyse von regulatorischen Anforderungen, Medienberichterstattung, Nachhaltigkeitstrends und -studien sowie bereits vorliegende Analysen und Auswertungen zur Nachhaltigkeit Ihres Unternehmens identifizieren. 

Stakeholder-Matrix

Nun kann die Analyse der Wertschöpfungskette vervollständigt werden, indem die Stakeholder genauer betrachtet werden. Es gilt herauszufinden, wer von den Tätigkeiten des Unternehmens und seinen direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette betroffen ist oder betroffen sein könnte. 

Hauptgruppen von Interessenträgern

Schritt B: Tatsächliche und potenzielle IROs identifizieren

Nun geht es darum, Auswirkungen, Risiken und Chancen in Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsthemen, die in den ESRS definiert sind, für das Unternehmen zu bestimmen. Dabei müssen die Tätigkeiten des Unternehmens inklusive der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette betrachtet werden. Gleichzeitig ist es wichtig, weitere Nachhaltigkeitsthemen zu berücksichtigen, die möglicherweise nicht in den Standards enthalten sind aber für Ihr Unternehmen große Bedeutung haben. 

Es wird eine Inventarisierung der Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO) durchgeführt, die sicherstellt das keine wesentlichen ESG-Themen unberücksichtigt bleiben. Die Inventarisierung umfasst dabei den gesamten Handlungs- und Wirkungsbereich des unternehmerischen Geschäftsgebarens, also auch die Beziehungen zu sämtlichen Stakeholdern der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. 

Das Ergebnis von Schritt B ist die „IRO-Long List“ Ihres Unternehmens 

Hinweis für das Reporting: 

Zu jedem IRO müssen Sie offenlegen, 

  • ob es sich auf die Tätigkeiten Ihres Unternehmens oder die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette bezieht sowie 
  • eine zeitliche Einordnung vornehmen (kurz-, mittel-, langfristig)  

Schritt C: Wesentliche IROs bewerten und festlegen

Mit diesem Schritt werden die für Ihr Unternehmen wesentlichen Themen bestimmt, d.h. das Ergebnis von Schritt C ist die Wesentlichkeitsmatrix Ihres Unternehmens und die Grundlage für Ihre Berichterstattung.  

Bewertung der Nachhaltigkeitsthemen hinsichtlich Impact und Financial Materiality 

Um wesentliche von unwesentlichen Nachhaltigkeitsthemen zu unterscheiden, müssen quantitative und qualitative Schwellenwerte definiert werden. 

Bewertung der Auswirkung des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte (Impact) nach ESRS1, Absatz 45-46: 

Negative Auswirkungen 

Positive Auswirkungen 

Bewertung der Einwirkung der Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen (financial materiality) nach ESRS1, Absatz 51: 

      a) Eintrittswahrscheinlichkeit 

      b) Potenzielles Ausmaß der finanziellen Auswirkungen 

Hinweise für die Validierung der Ergebnisse 

    • „Ausreißer“ in der Bewertung identifizieren 
    • Unterschiedliche Perspektiven der Stakeholder in die Bewertung aufnehmen à Stakeholder-Dialog 
    • Relativierungsmethode festlegen 
    • Konsens bilden 

Schritt D: Reporting

Nun geht es darum, die als wesentlich identifizierten Themen für den Bericht zu aggregieren und mit Nachhaltigkeitszielen und Maßnahmen in Beziehung zu setzen. Berichtspflichtige Unternehmen müssen kontinuierlich über den Fortschritt der Zielerreichung berichten. 

Insgesamt muss der Prozess zur Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD transparent, vollständig und nachvollziehbar den Vorgaben der ESRS entsprechen und dokumentiert sein. Das heißt, es muss klar erkennbar sein, über welchen Bereich sich die Wesentlichkeitsanalyse entlang der Wertschöpfungskette erstreckt, was als wesentliches Nachhaltigkeitsthema mit welchem Ansatz bzw. Methode bewertet wurde und in welcher Form die Stakeholder in den Prozess eingebunden wurden.  

Häufig gestellte Fragen zum Thema Wesentlichkeitsanalyse

Durch das Inkrafttreten der CSRD wurde ein verbindlicher europäischer Berichtsstandard (ESRS) eingeführt. Jedes Unternehmen, das unter die CSRD-Berichtspflicht fällt, hat nach dem Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit zu berichten. Mit Hilfe der ESRS sollen wesentliche Auswirkungen und Beeinflussungen zwischen Unternehmen und Umwelt europaweit vergleichbar berichtet werden. Als wesentlich ist ein Thema aus den Dimensionen ESG anzusehen, wenn es entweder unter die „Financial Materialityoder unter die „Impact Materialityoder unter beide Materialitäten fällt. 

Etwa 50.000 Unternehmen sind EU-weit (ca. 15.000 in Deutschland) betroffen, unter anderem: 

  • Ab 2024 | Unternehmen, die an einem EU-regulierten Markt notiert sind (für Kleinstunternehmen bestehen Ausnahmen)  
  • Ab 2025 | Nicht börsennotierte EU-Unternehmen, die zwei der drei Größenmerkmale überschreiten: 25 Mio.€ Bilanzsumme, 50 Mio.€ Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem Abschluss-Stichtag, 250 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt (einschließlich Tochterunternehmen mit Hauptsitz außerhalb der EU) 
  • Ab 2026 | Börsennotierte KMU, kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen  

Interpretation der Wesentlichkeitsmatrix

Die Achsen kennzeichnen die oben beschriebenen Perspektiven Impact Materiality und Financial Materiality in Abstufungen. Dadurch werden die in Schritt C festgelegten IROs in der Matrix gemäß ihrer Bewertung verortet. Alle Nachhaltigkeitsthemen, die als signifikant und kritisch eingestuft wurden, sind auf Handlungsoptionen zur Hebung von Potentialen oder Reduktion von Risiken hin zu untersuchen. Darüber hinaus sollten auch die Themenfelder des mittleren Matrixsegments auf sinnvolle Maßnahmen hin berücksichtigt, mindestens jedoch weiter beobachtet werden. Eine realistische und transparente Beschreibung der Maßnahmen zur Bearbeitung der Nachhaltigkeitsthemen bildet die Grundlage für eine vertrauensvolle Stakeholder-Kommunikation.  

Nachhaltigkeitsthemen nach ESRS

Die EFRAG hat sich in den ESRS auf folgende Hauptthemen verständigt, die wiederum weitere Unterthemen (sogenannte Sub- und teilweise auch Sub-Sub-Themen) beinhalten. 

S - Social

E - Environment

G - Governance

Strategische Bedeutung der Wesentlichkeitsanalyse

Integration in die Unternehmensstrategie

Die Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD ist nicht nur die Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, sondern auch ein wichtiger Input für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie. So empfiehlt es sich, die regelmäßige Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse in die Routinen und Prozesse rund um die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens zu integrieren. Die regelmäßige Analyse der Auswirkungen, Risiken und Chancen für ein Unternehmen ist sowohl für ein effizientes Managen von Risiken relevant als auch um Chancen zu nutzen und neue Markt- und Kundensegmente zu erschließen. 

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